Das Füttern von Vögeln zur Winterzeit hat nicht nur in Deutschland eine lange Tradition. Es ist bei vielen Vogelfreunden beliebt und von Beginn an auch in unserem Verband verankert. An Futterstellen lassen sich die Tiere aus nächster Nähe beobachten. So ist das Füttern nicht nur ein Naturerlebnis, sondern vermittelt zudem Artenkenntnis. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche, die immer weniger Gelegenheit zu eigenen Beobachtungen und Erlebnissen in der Natur haben. Die meisten engagierten Naturschützer haben einmal als begeisterte Beobachter am winterlichen Futterhäuschen begonnen.
Der NABU empfiehlt die Vogelfütterung deshalb als einmalige Möglichkeit für Naturerlebnis und Umweltbildung. Gleichzeitig sollte man die Vogelfütterung nicht mit effektivem Schutz bedrohter Vogelarten verwechseln, da von ihr fast ausschließlich wenig bedrohte Arten profitieren, die von der Natur so ausgestattet wurden, dass ihre Bestände auch durch kalte Winter nicht dauerhaft reduziert werden.
Wenn ab dem Spätherbst Lebkuchen und Weihnachtsgebäck die Supermarktregale füllen, dann stapeln sich nicht weit davon auch Berge mit Vogelfutter und Meisenknödeln. Die Winterfütterung kommt so sicher
wie die schneefreie Zeit um Weihnachten. Jahr für Jahr geben bundesdeutsche Vogelfreunde rund 15 bis 20 Millionen Euro dafür aus. Die Winterfütterung ist neben dem Aufhängen von Nistkästen wohl die
beliebteste Form des Vogelschutzes.
Doch unter Vogelfreunden wird kaum ein Thema so kontrovers diskutiert wie die Fütterung von Wildvögeln: Viele Tierschützer und Vogelfreunde plädieren für's Füttern, damit kein Vogel den Hungertod
erleide. Andere wiederum sehen darin keinerlei Sinn und lehnen jede Form der Fütterung ab - nicht selten mit dem Hinweis, das Geld sei besser in Schutzprojekte investiert. Ganz darwinistisch
Orientierte pochen auf die "natürliche Auslese" im Winter.
Tatsächlich sollten sich Vogelfreunde darüber im klaren sein, dass Winterfütterung und Naturschutz zwei Paar Schuhe sind
NABU-Vogelexperte Dr. Markus Nipkow
Untersuchungen zeigen: Die Vogelfütterung in Städten und Dörfern kommt etwa 10 bis 15 Vogelarten zugute. Dazu gehören Meisen, Finken, Rotkehlchen und Drosseln. Die meisten von ihnen haben stabile
oder wachsende Populationen, und keine dieser Arten ist in ihrem Bestand gefährdet. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. den seltener werdenden Haus- und Feldsperlingen) erreicht das Füttern rund
um's Haus also nicht diejenigen Vögel, die im Mittelpunkt notwendiger Schutzbemühungen stehen oder stehen sollten. Dadurch kann die Winterfütterung zum Artenschutz letztlich nur einen kleinen Beitrag
leisten.
Hat Vogelfüttern damit heute ausgedient? "Keineswegs", meint Markus Nipkow. "Wo sonst lässt sich lebendige Natur selbst mitten in der Stadt und aus nächster Nähe so gut erleben?" Das gilt
besonders für Kinder und Jugendliche, die immer weniger Gelegenheit zu eigenen Beobachtungen und Erlebnissen in der Natur haben. "Nicht selten weckt der Spaß dann auch das Interesse, selber aktiv
zu werden und sich im Naturschutz zu engagieren", gibt der Vogelschützer zu bedenken. Viele Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, zu helfen, einfach etwas zu tun. So ist der nächste Schritt oft
der, den eigenen, häufig viel zu eintönigen Garten nun auch vogelfreundlich zu gestalten. Das eine tun und das andere nicht lassen - unter diesem Motto könnten sich Winterfütterung und
Naturschutz treffen.
Richtig betrieben ist die Winterfütterung Hilfe und Naturerlebnis zugleich. Ihren Platz unter den beliebtesten Aktivitäten im Vogelschutz soll sie auch in Zukunft nicht verlieren. Übersehen werden darf jedoch nicht, dass heute weitreichendere Maßnahmen notwendig sind, um den Rückgang gefährdeter Vogelarten zu stoppen. Im Artenschutz muss deshalb Priorität haben, was die Vielfalt in unserer Kulturlandschaft wirksam und möglichst langfristig fördert. Gezielte Agrarumweltprogramme zählen dazu ebenso wie Maßnahmen zur Pestizidreduktion, die Förderung angepasster Mahdtermine, oder das zeitweise Belassen von Stoppelfeldern nach der Ernte.